Sunday, May 4, 2025
Was darf man sagen?
Heutzutage muss man aufpassen, was man sagt; allerdings gelten dabei unterschiedliche Spielregeln. Diese Erkenntnis kam mir, als ich in den Nachrichten über eine Äußerung von Israels Ministerpräsidenten Netanjahu stolperte. Er hatte wohl erklärt, die Befreiung der Hamas-Geiseln wäre ihm nicht so wichtig wie der Sieg über seine Feinde (und ich bin mir sicher, zwischen den Zeilen meinte er damit sowohl die außen- als auch die innenpolitischen). Die Ochsenschädel-Mentalität als politisches Statement, so etwas gibt es nicht nur in den USA. Prompt brodelt es schon wieder in mir.
Wenn man nur hoch genug in der Nahrungskette steht, darf man dergleichen von sich geben, ohne sofort notgekeult zu werden. Am anderen Ende des Spektrums steht eine Lehramtsstudentin und Aktivistin namens Lisa Poettinger, die es gewagt hat, sich für eine bessere und gerechtere Zukunft einzusetzen. Das ist anscheinend charakterlich nicht mit den Anforderungen an eine zukünftige Lehrkraft vereinbar, schon gar nicht in Bayern. Deshalb steht jetzt ihre berufliche Laufbahn auf dem Spiel, und es sieht nicht gut für sie aus. Wenn sie CSU-Vorsitzende oder etwas ähnliches wäre, würde kein Hahn danach krähen.
Wir leben in einer Zeit, in der es selbst in der sogenannten freien Welt nicht ungefährlich ist, seine Stimme zu kritischen Fragen zu erheben. Insofern habe ich sicher Glück, dass nur eine kleine Anzahl von Personen diesen Blog kennt. Denn ich habe mich wiederholt negativ über Donald Trump ausgelassen. Wenn er lesen könnte, sich für mich interessieren würde und etwas in der Birne hätte (kurze Anmerkung: mindestens zwei der drei Punkte treffen nicht zu), wäre es für mich sicher eine gewagte Sache, in die USA zu reisen. Allerdings habe ich das ohnehin nicht vor.
Trump selbst ist wiederum einer von denen, die sich alles erlauben können. Eine göttliche Gewalt hat ihn für das Amt des Präsidenten seines Landes auserkoren; es ist schon schlimm genug, dass er sich dafür den Segen seines Volkes abholen muss. Dazu kommt, dass die Kardinäle im Vatikan anscheinend keinerlei Anstalten machen, ihn zum neuen Papst zu ernennen. Wo kämen wir nur hin, wenn er sich jetzt auch noch an Gesetze und Gerichtsurteile halten müsste? Und von ihm zu verlangen, dass er sich bei seinen Pressekonferenzen oder den Posts in seinem eigenen sozialen Netzwerk an die Wahrheit halten möge, ist natürlich genauso untragbar.
Im letzten Sommer hat ein Attentäter versucht, Donald Trump zu erschießen, und hat ihn nur knapp verfehlt. Wenn ich jetzt irgendwo öffentlich behaupten würde, ich fände es bedauerlich, dass er keinen Erfolg hatte, dann würde man mich schnell als radikal einstufen. (Zur Klarstellung: Ich bin überhaupt kein Fan von politisch motivierten Anschlägen, nicht einmal bei dem toupierten Trottel im Weißen Haus.) Darf man wenigstens sagen, dass es uns und der Nachwelt eine Menge Probleme erspart hätte, ohne gleich schief angesehen zu werden? Ich weiß es nicht.
Zurück nach Deutschland. Einen Donald Trump haben wir hier nicht. Die beste Näherung, inhaltlich und optisch, bietet eine Beatrix von Storch, trotzdem ist das irgendwie nicht dasselbe. Wenn sie ihre Galle absondert (die eine verblüffende Ähnlichkeit mit nationalsozialistischem Gedankengut aufweist), steht sie nicht mal dazu, sondern behauptet hinterher trocken, sie wäre versehentlich an die Maus gekommen. Damit erreicht sie einfach nicht das gleiche Level wie ein Trump oder Netanjahu. Selbst wenn es um bekloppte Politiker geht, spielen wir international nur zweite Liga.
A propos: Wie geht man nun eigentlich am besten mit der AfD um? Der Vorschlag von Jens Spahn lautete: wie mit jeder anderen Oppositionspartei. Das ist sie allerdings nicht; sie ist rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich. Und zwar nicht erst seit dieser Woche - es ist jetzt lediglich offiziell. Ich habe das ungute Gefühl, Spahn möchte damit schon mal vorausschauend eine Rechtfertigung dafür aufbauen, dass seine Fraktion in Zukunft Gesetze mit Stimmen der AfD durchdrücken will. Das sagt er nicht direkt, jedoch kann man seine Worte durchaus so interpretieren.
Soll man die AfD verbieten? Ganz ehrlich, ich halte es für keine gute Idee, genau jetzt ein Verbotsverfahren anzustreben. In Umfragen steht die AfD dieser Tage Kopf an Kopf mit CDU/CSU ganz oben. Wenn man an einem solchen Punkt ein Verfahren zum Verbot der Partei einleitet, gibt man ihr - unabhängig von dessen Erfolg - einen Märtyrerstatus. Es würde die AfD und ihre Anhänger noch stärker zusammenschweißen und anheizen. Aber Vorsicht: Sich gegen ein AfD-Verbot auszusprechen, kann auch gefährlich sein. Die Leute sind gut darin, Sätze aus dem Kontext zu reißen und fehlzuinterpretieren. Wie gesagt, man muss vorsichtig sein.
Mein Vorschlag mag unpopulär sein, aber ich halte es für richtig, ihn auszusprechen: Die Politik muss sich inhaltlich mit den Problemen der Menschen auseinandersetzen. Es hat einen Grund, dass das Wahlverhalten der Bevölkerung Stück für Stück zugunsten der AfD abgedriftet ist. Wenn die anderen Parteien echte Lösungsvorschläge hätten, anstatt immer nur am Deutschlandticket oder der digitalen Patientenakte rumzudaddeln, hätte die AfD kaum eine Wählerbasis (ausgenommen vielleicht den harten rechten Kern, aber keinesfalls im zweistelligen Prozentbereich).
Ich habe mir das Parteiprogramm der AfD angeschaut. Wie viele von denen, die die AfD ablehnen, haben das getan? Es hat zahlreiche diskriminerende Elemente, die - mehr oder weniger offen - gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen gerichtet sind. Daneben enthält es auch noch Vorschläge in den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Soziales, usw. Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen: Einige dieser Vorschläge sind vernünftig (z.B. zu Themen wie Mindestlohn und Grundsicherung). Andere Ideen sind angreifbar, wenn man sich die Mühe macht, auf die entsprechenden Themen einzugehen. Ich glaube fest daran, dass es möglich ist, die AfD allein in sachlichen Diskussionen zu besiegen.
Letzten Endes gilt es zwischen der AfD und ihren Wählern zu differenzieren. AfD-Wähler sind ganz schlicht Menschen; das muss man sagen, und sagen dürfen. Sie kommen nicht als rechtsextreme Fanatiker auf die Welt - nicht einmal im Osten. Es sind Menschen, die infolge der Politik der letzten 20 Jahre (oder so) keine Perspektive sehen. Menschen, die die Orientierungslosigkeit der Parteien der Mitte wahrnehmen. Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen. Menschen, die es gilt, durch echte politische Inhalte zu gewinnen.