Thursday, August 14, 2025
Die ersten 100 Tage
Neulich habe ich ein paar Minuten lang ein Kleinkind beobachtet, wie es an seiner Mutter hing und durchgehend zeterte, weil es von ihr irgendeinen begehrten Gegenstand (wahrscheinlich ein geliebtes Spielzeug) nicht erhielt, den es nach eigenem Ermessen offenbar dringend benötigte. Eigentlich hatte ich keine Wahl, denn die Episode trug sich in der U-Bahn zu, in meiner unmittelbaren Nähe, und es gelang mir nicht ansatzweise, das Geschrei aus meiner Wahrnehmung herauszufiltern.
Kleinkinder sind ein spezieller Menschenschlag. Sie kreischen herum und stampfen mit den Füßen auf, wenn sie nicht genau das bekommen, was sie wollen. Aber es sind eben Kinder. Ich bin wahrlich nicht glücklich, wenn ich in einem öffentlichen Verkehrsmittel gezwungen bin, ein derartiges Schauspiel hautnah mitzuerleben. Andererseits sollten wir uns vor Augen halten, dass wir alle mal so waren. Es ist eine natürliche Entwicklungsphase.
In den USA gibt es etwas sehr Ähnliches. Der Fachbegriff lautet “Republikaner”, was meines Wissens deren Bezeichnung für erwachsene Kleinkinder ist. Und auch hier bin ich unlängst zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Subspezies einen gewollten biologischen Hintergrund besitzt. Man hat den Amis jahrzehnte- bzw. jahrhundertelang eingebläut, dass sie tun und lassen können, was sie wollen, und dass im Leben immer alles nach ihren Launen verlaufen muss. Donald Trump ist nur die logische Konsequenz einer solchen Evolution.
Trump wird nicht einfach nur deshalb gewählt, weil er Trump ist. Vielmehr gibt er seinen Anhängern die Bestätigung ihres Selbstverständnisses: Wir sind die Größten, keiner kann uns was, usw. - “blah blah fucking blah”, wie es in einem Film mit Jason Statham heißt. Donald Trump lebt den Gedanken aus, dass man sich die Welt drehen kann, wie man sie haben möchte, und dafür wird er gefeiert. Wenn die Realität nicht passt, wird sie aufs Abstellgleis verfrachtet.
Besonders gut sieht man diesen Trend immer dann, wenn er neue Personalien - seien es Minister, Richter oder irgendetwas anderes - in Position bringt und dafür etablierte Institutionen und Experten abschießt. Seine Wunschkandidaten zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass sie treu, rückständig und nicht besonders wahrheitsliebend veranlagt sind. Denken wir nur an Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, einen der loyalsten Wackeldackel in seinen Reihen, und ziemlich sicher die Frau, für die der Blondinenwitz erfunden wurde.
Es ist eine Tradition in den USA, die Leistungen eines neuen Präsidenten nach den ersten 100 Tagen im Amt zu bewerten. Seinen eigenen Äußerungen zufolge hat er mehr erreicht als jeder andere Präsident vor ihm. Und wenn man allein nach den Beleidigungen geht, die er all seinen Gegnern an die Köpfe geworfen hat, stimmt das zweifellos auch. Aber wenn wir uns mal von seiner Einbildung lösen und nach den Fakten gehen: Was hat er wirklich vollbracht?
Ich weiß es ehrlich nicht. Die meisten Themen kommen und gehen schneller, als sie ein vernünftiger Mensch mitverfolgen kann, vermutlich weil es in seinem Kopf genauso durcheinander abläuft. Unter anderem hat er sich abwechselnd auf Grönland, Einwanderer, internationale Handelspartner, die NATO, die Presse, Harvard und den Golf von Mexiko eingeschossen. Allerdings hatte ich in keinem dieser Gebiete den Eindruck, dass er einen durchschlagenden Erfolg erzielt hat.
Natürlich stellt er das selbst anders dar. Die wenigen Journalisten, die am Ende seiner Amtszeit noch Zugang zum Oval Office haben, werden ihm möglicherweise zustimmen, und ich halte es für ziemlich ersichtlich, dass das für ihn die Hauptsache ist. An der Spitze seiner Bemühungen steht der offenkundige Versuch, sich selbst einen Friedensnobelpreis zu schenken. Idioten, die ihn für einen solchen nominieren würden, gibt es auf der Welt zweifellos genug.
Gehen wir zurück nach Deutschland. Der Grund, warum ich das hier schreibe, ist der Umstand, dass wir gerade 100 Tage der Regierung Friedrich Merz hinter uns haben. Die 100-Tage-Betrachtung ist bei uns nicht so präsent wie in den USA, aber wenn wir schon soweit gekommen sind, lasst uns doch einfach mal darüber sprechen, was Merz in den ersten 100 Tagen seiner Kanzlerschaft geschafft hat.
Äh…
Ich muss gestehen, mir fällt kaum etwas ein. Von den 100 Tagen standen gefühlt mindestens 90 im Schatten des Zoffs mit seinen Koalitionspartnern. Eigentlich ist schon das Wort “Koalition” ein Witz. CDU/CSU und SPD sind sich in fast keinem Punkt einig. (Früher hätte man sagen können, dass die Ablehnung der AfD einen gemeinsamen Nenner darstellt, aber diese Zeiten liegen dank Merz weit hinter uns.) Es ist ein Armutszeugnis für Deutschland, und es braucht keine gescheiterte Verfassungsrichter-Wahl, um das zu erkennen.
Die Diäten wurden unlängst erhöht. Mal wieder. Tatsächlich passiert das regelmäßig (meines Wissens jedes Jahr), doch 2025 wurde es in den Medien etwas stärker hervorgehoben als sonst. Und das ist auch gut so, denn man sollte solche Frechheiten nicht unter den Teppich kehren. In einem Land, in dem ein immer größerer Teil der Bevölkerung unter die Armutsgrenze rutscht, genehmigen sich die “Regierenden” fürs Nichtstun kontinuierlich mehr Geld und wundern sich gleichzeitig, dass ihnen die Wählerstimmen abhanden kommen. Verblödung auf ganzer Linie.
In der Migrationspolitik gab es Bewegung - nicht in die richtige Richtung, aber immerhin. Anscheinend möchte Merz den konservativen Kräften in Europa zeigen, dass wir auch systemisch fremdenfeindlich sein können. Darüber hinaus wirbt die Tagesschau-Webseite damit, dass der Besuch von Friedrich Merz bei Donald Trump “unfallfrei” war. Es ist peinlich, wenn man das als Erfolg zelebriert; zumindest sollte es das sein.
Das bisher einzige wirklich große Ergebnis unser neuen Regierung war die Bereitstellung eines Sondervermögens. 500 Milliarden Euro! Das klingt nach echt viel. Andererseits kommt das Geld ja nicht aus dem Nichts, sondern aus einem gigantischen Akt der Neuverschuldung. Und laut Grundgesetz ist das normalerweise verboten; das einzige, was die Regierung Merz diesbezüglich vollbracht hat, ist also die Aushebelung des Grundgesetzes durch den Status als “Sondervermögen”. Und wenn wir uns jetzt noch in Erinnerung rufen, wie viel Geld in Deutschland üblicherweise verschwendet wird oder anderweitig im Sande versickert, ist übertriebener Optimismus an dieser Stelle wirklich fehl am Platze.
Kurz gesagt, da ist kaum etwas, wofür man die neue GroKo feiern kann. Auf jede klitzekleine Errungenschaft kommt gleich wieder eine Maskenaffäre, die zehnmal stärker negativ einschlägt. Wenn wir einen Donald Trump an der Spitze hätten, würde er zumindest irgendeine fadenscheinige Leistung für sich beanspruchen, und seien es nur die Sternschnuppen am Himmel. Selbst dafür reicht es bei Friedrich Merz nicht.
Die aktuellen Regierungsparteien - CDU/CSU definitiv, aber im Grunde genommen auch die SPD - haben sich zu den Kleinkindern der deutschen Politik entwickelt. Sie leisten nichts mehr (bei Helmut Kohl und Angela Merkel wurde es freundlich als “Aussitzen” bezeichnet), aber stampfen mit den Füßen auf, wenn das Volk ihnen nicht die Begeisterung entgegenbringt, die ihnen nach ihrer verblendeten Selbstwahrnehmung zusteht. Wir sind politisch am unteren Ende der Skala angekommen.