Sunday, November 30, 2025

Quickie: Verwöhnt

Wir sind verwöhnt. Diese Erkenntnis stellt sich bei mir immer wieder ein, wenn ich einkaufen gehe. Der Supermarkt meiner Wahl hat gefühlt etwa die Größe eines Fußballfeldes (weniger Schiedsrichter, dafür mehr Kunden in Abseitsposition). In der Zeit, die ich brauche, um alle Artikel von meiner Einkaufsliste zusammenzusuchen, hat die Menschheit nicht weniger als ein Dutzend Arten ausgerottet - vermutlich einschließlich einiger, von denen ich gerade die letzten Exemplare in meinen Korb bzw. Wagen packe.

Die heutige Vielfalt (ich beziehe mich gerade auf Lebensmittel, aber das Ganze gilt für viele andere Güter ebenso) ist geradezu erschreckend. Denken wir nur an Brötchen. Als ich jung war, gab es einfache und doppelte Brötchen, und das wars. Mittlerweile gibt es so ziemlich alles, und damit meine ich wirklich alles. Jede Größe und jede Form, jede Verzierung und jedes Oberflächenmuster, jede Teigzusammensetzung und jede Zutat - alles was theoretisch gebacken werden kann, wurde bereits mal von jemandem in einen Ofen gesteckt, mit der offenkundigen Absicht, es anschließend als Gaumenfreude unters Volk zu bringen.

Oder Obst. Früher war bei uns im Wesentlichen das zu bekommen, was auch bei uns wuchs, dazu ab und zu Apfelsinen als Luxusgut. Damit geben wir uns heute natürlich nicht mehr zufrieden. Jede Sache, die irgendwo auf dem Erdball auf einem Baum oder Strauch wächst und angeblich essbar ist, hat bei uns auf dem Tisch zu stehen. Dinge, von denen wir nicht viel mehr wissen, als dass ein Farbton nach ihnen benannt ist, werden vom anderen Ende der Welt zu uns herangekarrt. Und wenn das an einem beliebigen Tag nicht gelingt, sprechen wir gleich vom Untergang des Abendlandes.

In ähnlicher Weise könnte ich mit hundert weiteren Artikeln fortfahren, also Wurst, Käse, Joghurt, usw. Bei Getränken hat es mir KiBa besonders angetan. Vor einiger Zeit hat ein kreativer (und vermutlich gelangweilter) Geist Kirschen und Bananen - zwei Früchte, die normalerweise in unterschiedlichen Teilen der Welt heimisch sind und so ziemlich gar nichts gemeinsam haben - zu einem gemeinsamen Getränk kombiniert. Vielleicht sind dem Erfinder auch einfach nur beide gleichzeitig in den Mixer gefallen, ich weiß es nicht. Als typischer Vertreter von Homo sapiens schien er jedenfalls nicht motiviert gewesen zu sein, die Bescherung wegzukippen, sondern er wollte vielmehr erstens wissen, wie es schmeckt, und zweitens, wie man die Sache vermarkten kann.

All das wollen wir mittlerweile, ja wir erwarten es, brauchen es zum Glücklichsein. Wenn es weniger als die komplette Auswahl gibt, sind wir sofort unzufrieden und jammern über Lieferengpässe. Wir jammern, wenn Kiwis oder Guaven aus sind, wenn in den Regalen kein Melonensaft steht. Wir jammern, wenn es im Winter bei Schnee und Eis kein Grillgut und umgekehrt Ende August noch keine Lebkuchen zu kaufen gibt. Sobald das Leben uns mal nicht hundertprozentigen Luxus schenkt, sind wir unglücklich. (In München wird gejammert, wenn man auf einem Bächlein im Stadtgebiet nicht surfen kann, doch das würde jetzt hier zu weit führen.) So tickt der Mensch. So haben wir uns selbst neu erschaffen.