Friday, May 10, 2024

Schlagzeilen ernst und heiter

Fast täglich lese ich auf der Nachrichtenseite meiner Wahl von einem Gewaltverbrechen, das in Hamburg begangen wurde. Meistens sind es Schlägereien, mitunter Messerstechereien und manchmal sogar Schießereien. Dazu kommen vermeidbare tödliche Verkehrsunfälle, Kokainfunde (im Tonnenbereich!) im Hafen und natürlich all die Unannehmlichkeiten, welche die regelmäßige Austragung von Wettkämpfen im Profi-Fußball mit sich bringt. Hamburg ist ein hartes Pflaster.

Hin und wieder frage ich mich, ob ich in Deutschlands Gewalthaupstadt schlechthin gezogen bin. Andererseits möchte ich annehmen, dass die Verrohung der Gesellschaft, auf welche die obige Auflistung hindeutet, grundsätzlich auch in anderen Großstädten wahrnehmbar ist. Vielleicht ist diese Tendenz überall präsent, und die Webseiten, welche ich besuche, machen sich einen Spaß daraus, primär das Übel in meiner Nähe hervorzuheben. Dass deren Algorithmen dazu grundsätzlich in der Lage sind, daran habe ich keinen Zweifel.

Gelegentlich gibt es Abweichungen von dem erwähnten Trott, dann allerdings dummerweise immer zum Schlechteren. Als in Hamburg der G20-Gipfel stattfand, hatten wir Rekordausschreitungen. Ständig gibt es Demos aufgrund der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, nicht alle davon gewaltfrei. Die ortsansässigen Islamisten scheinen gerade ein Allzeit-Hoch zu haben. Und Gott allein weiß, was passiert, wenn Gil Ofarim versuchen sollte, in Hamburg in ein Hotel einzuchecken.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass die Schlagzeilen auch ab und zu etwas Heiteres zu bieten haben. “Kanye West verprügelt falschen Mann” habe ich beispielsweise vor kurzem gelesen. Mir war bisher gar nicht bekannt gewesen, dass der Skandalrapper sonst immer die richtige Person verprügelt, aber vielleicht haben die Nachrichtenschreiber da mehr Informationen als ich.

“Deutsche Bahn will Pünktlichkeit auf 80% steigern”, so heißt es als nächstes. Nun, wenn ihr meine früheren Artikel kennt, werdet ihr wissen, dass ich eine derartige Zielstellung nur belächeln kann. Sollten sie es überraschenderweise ernst meinen, hätte ich einen einfachen Vorschlag: Man müsste lediglich den Begriff ein weiteres Mal umdefinieren, so dass Züge mit maximal 10 oder 15 Minuten Verspätung ebenfalls noch als pünktlich gelten (eine Maßnahme ganz im Geiste der Bahn, könnte ich mir vorstellen), und das Problem müsste gelöst sein.

Mein Favorit aus der jüngeren Vergangenheit war jedoch die Überschrift “Terrorist muss gegen seinen Willen in französisches Gefängnis”. Man stelle sich vor: Da ist ein Verbrecher, der so schlimme Taten begangen hat, dass sie schon nicht mehr als Kriminalität gelten, sondern als Terrorismus. Und jetzt soll dieser Mann eingesperrt werden, obwohl er das gar nicht möchte. Das ist doch krass ungerecht!

Vermutlich soll die Betonung auf dem Wort “französisch” liegen, d.h. die Mitteilung bezieht sich nicht auf den Umstand der Inhaftierung an sich, vielmehr auf den geographischen Aspekt. Mit einer solchen Interpretation macht die Meldung plötzlich Sinn (was sie vorher nicht getan hat). Ich gehe davon aus, dass der Verfasser der Nachricht nicht auf die Idee gekommen ist, sich in einen Leser hineinzuversetzen und darüber nachzudenken, wie er die Worte auffasst. Menschen sind generell nicht gut darin, Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten - keine Seltenheit, aber ein anderes Thema.

Dass der erste Eindruck formulierungsbasiert ein falscher war, passiert bei den News in letzter Zeit erstaunlich häufig. Aber ich bin froh, dass es so ist. Es ist deprimierend, immer nur darüber zu lesen, dass sich eine Gruppe junger Männer am Jungfernstieg in die Wolle gekriegt hat und jetzt ein Teil von ihnen im Krankenhaus oder unter der Erde liegt. Dann lieber amüsante Schlagzeilen - selbst wenn sie nicht absichtlich so gestaltet wurden.